Das Farbenspektrum in Pamela Rosenkranz’ Videoarbeit Living Colors bezieht sich auf das sogenannte Brainbow-Projekt. „Brainbow“, eine Kombination der englischen Begriffe für Gehirn und Regenbogen, bezeichnet eine neue Methode zur Kartierung neuronaler Schaltkreise. Mittels genetischer Manipulation gelang es Neurowissenschaftlern der Harvard University, die Nervenzellen von Mäusen einzeln farblich zu markieren, um auf diese Weise die Hirnaktivität der Tiere differenziert sichtbar zu machen. Die Methode gilt auf dem Feld der Hirnforschung als Meilenstein für die Weiterentwicklung bildgebender Verfahren. Die leuchtenden Farbfelder verbinden sich in Rosenkranz’ Video mit der computergenerierten Stimme „Heather“. Unablässig wiederholt sie die Worte „Yes“ und „No“, wobei das gesamte Intonationsspektrum des Sprachprogramms ausgeschöpft wird. Sprache findet sich somit auf einen binären Code, eine Opposition reduziert, welche über keinerlei Beziehung zu einem Gegenüber verfügt; deren sprachlicher oder nichtsprachlicher Bezugspunkt abwesend ist. Einzig die Sprachmelodie gibt Hinweise auf einen möglichen Bedeutungsgehalt des Gesagten – eine menschliche Interpretationsleistung, die in diesem Szenario durch ein Computerprogramm imitiert wird. Gerade in ihrer technologischen Simulation wird deutlich, dass auch die subjektive, kontextabhängige Färbung der Worte eine auf standardisierten Regeln beruhende Dimension hat.
Das Lebendige der Living Colors verortet die Künstlerin an
den Schnittstellen dreier unterschiedlicher Spektren: der Opposition
von Zustimmung und Ablehnung, dem computergenerierten
Intonationsvermögen von „Heather“ und der Kombination roter,
grüner und blauer Farbsignale in der digitalen Videoprojektion.
In Rückgriff auf Technologie und neurowissenschaftliche Erkenntnisse
hinterfragt Rosenkranz herkömmliche Vorstellungen von
menschlicher Individualität, Freiheit und Kreativität. Indem sie
Verweise auf den neuesten Forschungsstand mit einer bis zur
Unverständlichkeit verkürzten Sprache konfrontiert, macht sie
zugleich die Einschränkungen technowissenschaftlicher Kategorien
und Bilder des Humanen sichtbar.
* 1979 in Uri, Schweiz, lebt in Zürich, Schweiz