Ausdruck mittels Sprache oder Bildern ist für die Protagonisten der Science-Fiction-Miniserie The Common Sense ein überholtes Verfahren. Die Technologie des Patch ermöglicht es, Gefühle und körperliche Empfindungen unmittelbar mit anderen Menschen zu teilen.
Die erste Episode setzt zehn Jahre nach der Erfindung des Patch ein. Im Seminar sehen Studierende einen Dokumentarfilm und erfahren von den Anfängen der Technologie: Enthusiastisch hoffte die erste Generation der User auf eine Revolution des Sozialen, beflügelt durch die Empathie und Solidarität, die das kollektive Mit-Fühlen bewirken könne. Das Subjektverständnis verändert sich radikal, doch eine revolutionäre Umwälzung gesellschaftlicher Machtverhältnisse bleibt aus. Die Einführung des Patch beschleunigt kapitalistische Optimierungsstrategien, sorgt für gnadenlose Effizienz, permanente Verfügbarkeit und Kontrolle. Die kollektive Verschaltung und Stimulation der Nervenbahnen hat bald körperliche Konsequenzen: Bei einigen Patch-Usern bilden sich neuartige neuronale und organische Strukturen aus, deren Funktionsweise zum kommerziellen Forschungsgegenstand wird.
Mit
The Common Sense – Phase 1 & Phase 2B richtet Melanie
Gilligan den Blick auf die Wechselwirkungen von technologischem
Wandel und Humanem und schafft ein Szenario, in dem die Kategorien
von Dystopie und Utopie die komplexere Wirklichkeit nicht
mehr greifen können. Vielmehr zeigt sie technologische Errungenschaften,
deren Auswirkungen sich schon bald nicht mehr mit
den wissenschaftlich zur Verfügung stehenden Mitteln erfassen
und kontrollieren lassen. Was hier unter dem Ausruf der Post-
Individualität ins Leben gerufen wird, erweist sich nicht etwa als
Gemeinschaft, eine neue Form des Common Sense, sondern als
spätkapitalistisches Diktat der Transparenz.
* 1979 in Toronto, Kanada, lebt in New York, USA und London, Großbritannien