Auf und in unserem Körper existieren zehnmal mehr Mikroorganismen als menschliche Zellen, circa hundert Billionen an der Zahl. Ohne sie könnten wir nicht überleben. Über die komplexen Beziehungen innerhalb des „Biotops Mensch“ ist bislang verhältnismäßig wenig bekannt, doch wirken sie sich nicht nur auf die körperliche Gesundheit, sondern vermutlich auch auf kognitive Prozesse und Fähigkeiten aus. Was bedeutet dies für herkömmliche Vorstellungen vom menschlichen „Selbst“, die sich vor allem in Abgrenzung zum nichtmenschlichen „Anderen“ definieren?
In Le Pain Symbiotique [Das symbiotische Brot] setzt Anicka Yi
nicht etwa beim Menschen, sondern bei Mikroben und Bakterien
an. Die Videoprojektionen im Inneren der PVC-Kuppel zeigen
Aufnahmen bakterieller Mikroorganismen. Und auch die in Glycerinseife
eingelassenen Materialien erinnern an organische Proben,
mikroskopische Bilder von Algen etwa. Yi präsentiert sie beleuchtet
und auf Sockeln wie wertvolle Museumsexponate. Die Ausstellungsarchitektur,
für die Betrachter nicht begehbar, ist zum Teil
mit einer Schicht aus Teig bekleidet. Jedoch hebt sie nicht etwa
den menschlichen Verdienst bei der Brotherstellung hervor,
sondern jenen der Mikroorganismen. Erst durch die Leistung von
Hefen und Bakterien werden Lebensmittel wie Sauerteigbrot für
den Menschen überhaupt genießbar. Yis Präsentation richtet sich
nicht an den Betrachter als individuelles Selbst, sondern an
den Betrachter als Biotop, als symbiotische Beziehung mit den
Mikroorganismen in uns.
* 1971 in Seoul, Südkorea, lebt in New York, USA